1.6 Reproduktionszahl

Zu Beginn der Corona Pandemie waren die beherrschenden Stichworte exponentielles Wachstum und Verdopplungszeit. In einer Rede vom 16.4.2020 sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Ärzte und Wissenschaftler haben ihre Berechnungen umgestellt und schauen nicht mehr auf die Verdopplungszeiten, sondern legen den Reproduktionsfaktor zugrunde. Dieser Reproduktionsfaktor, meist Reproduktionszahl genannt, ist zwar in der mathematischen Modellierung und in der Statistik lange bekannt, spielte in der öffentlichen Diskussion aber bis dahin keine Rolle. Die Reproduktionszahl gibt an, wieviele Personen im statistischen Mittel von einer infektiösen Person angesteckt werden und zwar innerhalb der sogenannten Generationszeit (das Robert Koch Institut rechnet mit 4 Tagen). Sie ist zeitabhängig (ändert sich z.B. durch die Infektionsschutz-Maßnahmen), der ursprüngliche Wert ist die Basis-Reproduktionszahl R0. Bei der Corona-Pandemie Sars-Covid-19 lag sie zu Beginn über 3, ab Ende März liegt die aktuelle Reproduktionszahl R nahe bei 1 und oft sogar unter 1. Ist die aktuelle Reproduktionszahl R > 1, nimmt die Zahl der Infektiösen weiter zu. Ist R = 1, bleibt sie gleich, es werden genausoviel Personen neu infiziert wie wieder gesundet sind (im Rahmen dessen, was man als infiziert diagnostiziert hat). Ist R < 1, nimmt die Zahl der Infektiösen ab. Wie wird diese Reproduktionszahl R statistisch ermittelt? „Bei einer konstanten Generationszeit von 4 Tagen, ergibt sich R als Quotient der Anzahl von Neuerkrankungen in zwei aufeinander folgenden Zeitabschnitten von jeweils 4 Tagen. Der so ermittelte R-Wert wird dem letzten dieser 8 Tage zugeordnet, weil erst dann die gesamte Information vorhanden ist. Daher beschreibt dieser R-Wert keinen einzelnen Tag, sondern ein Intervall von 4 Tagen.“ (Robert Koch Institut). Das wäre ein statistischer Zugang. Bei den SIR-Modellen ergibt sich analytisch aus den Differenzialgleichungen R = Infektionsrate/ Gesundungsrate = /. Dies scheint auf den ersten Blick etwas anderes zu sein. Wie hängt das miteinander zusammen? Dies erschließt sich, wenn man R dabei nicht mehr als Quotienten von und sieht, sondern als Produkt von und 1/. Letzteres ist nämlich die mittlere infektiöse Zeit und das Produkt ergibt dann die mittlere Zahl von Neuinfektionen durch einen Infektiösen innerhalb der Infektionszeit. Dieser Ansatz ermöglicht es in den SIR-Modellen, mit R und als variablen Parametern zu arbeiten und daraus abzuleiten.