Diese Seite ist Teil des GeoGebrabooks Moebiusebene (29.09.2020)
Warum untersucht man zu einer Geometrie die "zugehörige" Gruppe?
Die zugehörige Gruppe einer Geometrie besteht aus allen Transformationen der Geometrie,
welche die wesentlichen Eigenschaften und Beziehungen in der Geometrie invariant lassen.
In der euklidischen Ebene gilt beispielsweise das Parallelenaxiom:
- Zu jeder Geraden und zu jedem nicht auf dieser liegenden Punkt
gibt es genau eine Parallele (eine nicht-schneidende Gerade) zu durch .
Würde man nun für die Ebene auch projektive Transformationen zulassen, gäbe es gar keine Parallelen mehr,
aber auch keine Abstände oder meßbaren Winkel.
Für die Gruppe der euklidischen Transformationen ist das Parallelsein zweier Geraden,
wie der Abstand zweier Punkte oder der Winkel zwischen zwei Geraden jeweils eine Invariante.
Für die Transformationen der ebenen Möbiusgeometrie ist zB. der Winkel zwischen zwei Kreisen,
oder die Eigenschaft von 4 Punkten, auf einem Kreis zu liegen, eine Invariante.
Dieses Kapitel soll die etwas eigenartige Frage stellen:
Was bedeutet es, wenn 2 scheinbar unterschiedliche Geometrieen isomorphe Transformationsgruppen besitzen?
Wie finden sich die Invarianten der einen Geometrie in der anderen Geometrie wieder?
Zu den Invarianten zählen dabei invariante geometrische Beziehungen wie auch numerische Invarianten.
Ganz konkret:
Die Gruppe der orientierungserhaltenden ebenen Möbiustransformationen ist isomoph
zur Gruppe der Zeit- und Raum-orientierungserhaltenden Lorentz-Transformationen.
Und: beide Gruppen sind isomorph zu , das ist die Gruppe der Transformationen
der komplexen projektiven Ebene mit einer nicht ausgearteten komplexen Quadrik, als Möbiusgruppe:
Für die Bewegungen in solchen Gruppen und damit für die Bewegungen in den zugehörigen Geometrieen
spielt die zugehörige LIE-Algebra der infinitesimalen Bewegungen (infinitesimalen Transformationen) eine zentrale Rolle:
- Die LIE-Algebra von ,
- und damit die LIE-Algebra der LORENTZ-Gruppe und die LIE-Algebra der Möbiusgruppe
ist .
Das ist ein drei-dimensionaler komplexer Vektorraum mit nicht-ausgearteter quadratischer Form
und einem alternierenden Produkt .
Es handelt sich um die Komplexifizierung des Euklidischen Vektorraumes mit Skalarprodukt und Kreuzprodukt .
Bemerkung: Die quadratische Form ist nicht positiv-definit und damit kein „Skalarprodukt“ des drei-dimensionalen komplexen Vektorraumes!
Mehr noch zu den Gemeinsamkeiten: Es besteht eine eins-zu-eins Korrespondenz zwischen den Punkten der Lorentz-Quadrik
und den Punkten der Möbiusebene. 1)
In der Möbiusebene sind die Kreise die zentralen geometrischen Objekte.
Die Lorentz-Transformationen operieren auf dem Minkowski-Raum.
Welches sind dort die zentralen geometrischen Objekte?
Welche Folgerungen lassen sich daraus für die zugehörigen Geometrieen ziehen?
1) Zitiert nach dem wunderschönen Buch J. Richter-Gebert, Th Orendt: "Geometriekalküle" Berlin-Heidelberg 2009