Mathematischer Hintergrund

Ausgangspunkt sind zwei Populationen in Wechselwirkung, wobei drei Hauptfälle unterschieden werden:
  • win-win- Situation (Symbiose)
  • lose-lose-Situation (Räuber-Räuber-Modell) 
  • win-lose-Situation (Räuber-Beute-Modell)
Wir betrachten im Workshop den dritten Fall des Räuber-Beute-Modells, in dem es einen Gewinner, den Räuber, und einen Verlierer, die Beute, gibt. In anderen Worten verläuft das Wachstum einer Population dabei auf Kosten bzw. zum Nachteil einer anderen Population. Es besteht eine Beziehung zwischen Schädigern und Geschädigten. Das Räuber-Beute-System wurde historisch von zwei voneinander unabhängigen Wissenschaftlern beinahe zur selben Zeit entwickelt. Der österreichisch-amerikanische Mathematiker Alfred-James Lotka erforschte 1925 das Verhalten von Schneeschuhasen und Luchsen. Der italienische Mathematiker und Physiker Vito-Volterra beobachtete solch ein Populationsverhalten 1926 an Haien und Speisefischen. Daher spricht man heute auch vom Lotka-Volterra Modell. Die mathematische Grundlage für das Modell stellt nun ein System aus gekoppelten Differenzen- bzw. Differentialgleichungen dar (vgl. Engel, 2018). Die Annahmen dieses Modells beruhen auf einem Ökosystem, in dem nur die beiden relevanten Populationen isoliert, also ohne Einfluss weiterer Populationen, betrachtet werden. Zudem gibt es keine Krankheiten, die Populationen haben unbegrenzten Lebensraum und die Beute-Population findet genügend Nahrungsangebot. Die Sterbe- und Geburtenrate seien konstant. Ohne Räuber R würde dann die Beute exponentiell wachsen, ohne Beute B würden die Räuber aussterben, da sie dann kein Nahrungsangebot hätten. Diese Grenzfälle können durch folgende beide Gleichungen beschrieben werden, wobei die Geburtenrate der Beute-Population, und die Sterberate der Räuber-Population darstellen. (1) (2) Durch Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Räuber von der Beute ernährt, ergibt sich zusätzlich ein Zuwachs der Räuber-Population, der proportional zur Begegnung von Beute und Räuber ist. Dem entsprechend nimmt die Beute-Population proportional zur Begegnung von Beute und Räuber ab. Die Gleichungen (1) und (2) werden damit ergänzt zu (3) (4) Hier wird f als Fressfaktor und als Geburtenrate der Räubertiere bezeichnet (vgl. Engel, 2018).  Diese diskrete Formulierung in Form von gekoppelten Differenzengleichungen (3) und (4) kann mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen veranschaulicht werden. Je nach Parameterwahl ergeben sich unterschiedliche Entwicklungen, die iterativ berechnet werden können (vgl. Engel, 2018). Für den stetigen Fall ergibt sich folgendes System aus gekoppelten Differentialgleichungen: (5) (6) Dieses System ist explizit sehr schwer lösbar. Mit vereinfachten Annahmen lässt sich eine Lösung herleiten. Dazu wird zunächst die stationäre Lösung (Indizes s) ermittelt, in denen B(t) und R(t) stabil ist, also die zugehörigen Ableitungen null gesetzt werden. Neben den trivialen Lösungen R(t) = B(t) = 0 erhält man den Gleichgewichtspunkt (vgl. Engel, 2018). Die allgemeine Lösung wird schließlich als Abweichung von der stationären Lösung ermittelt, mit der Vereinfachung, dass nur kleine Abweichungen vom Gleichgewichtspunkt möglich sind. Zu lösen sind dann Differentialgleichungen 2ter Ordnung mit der abschließenden Näherungslösung (7) (8) mit C, d Konstanten aus (vgl. Engel, 2018).
Diese Ergebnisse weisen eine periodische Struktur mit Phasenverschiebung auf, in Übereinstimmung mit den Beobachtungen aus der Natur (vgl. Engel, 2018). Eine weitere Möglichkeit der Veranschaulichung stellt das Phasendiagramm dar. Hier wird die Entwicklung der Räuberpopulation gegen die Beutepopulation aufgetragen (siehe Abb. 2). Je nach Parameterwahl kann sich die Spirale im Phasendiagramm nach innen zusammenziehen oder nach außen aufschaukeln. Im ersten Fall ist ein stabiles Gleichgewicht möglich. Der zugehörige Gleichgewichtspunkt lautet () (vgl. Engel, 2018).  Dieses hier vorgestellte Schema des Räuber-Beute-Modells ist auch auf andere Wechselwirkungen von Populationen übertragbar. So auch auf die Ausbreitung einer Epidemie. Wie beim Räuber-Beute Modell sind Annahmen zu treffen, entsprechende Parameter zu wählen und Gleichungen aufzustellen. Im Folgenden wird ein solch mögliches Modell angeführt: (9) (10) (11) Hier sind G die gesunden, K die kranken und I die Immunisierten Personen, k die Ansteckungsrate, h die Heilungsrate und GW stellt einen Grenzwert von Personen dar, die nicht erkranken (vgl. Lindner, 2021). Die zugehörige stetige Formulierung lautet: (12) (13) (14) (vgl. Lindner, 2021)

Literatur

  • Engel, J. (2018): Anwendungsorientierte Mathematik: Von Daten zur Funktion. Eine Einführung in die mathematische Modellbildung für Lehramtsstudierende. 2. Auflage. Springer.
  • Linder, A. (2021). FD Mathematik der SEK 2. SS 2021.